von Michelle Sensel | 01 Apr 2017 | Kategorie: Finanzierung

Haus kaufen ohne Eigenkapital - Was sind die Risiken?

Eigenkapital
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Viele Menschen geben den Wunsch nach einem Eigenheim auf, weil sie nicht ausreichend Eigenkapital zur Verfügung haben. Die Vollfinanzierung ist ein Weg, sich den Traum vom Haus trotz geringem Eigenkapital zu erfüllen. Um abschätzen zu können, ob diese Variante die Richtige ist, sollte man sich genauestens mit ihr auseinandersetzen. Sie birgt Chancen und kann Risiken mit sich bringen.

Was ist eine Hausfinanzierung ohne Eigenkapital?

Hausfinanzierung ohne Eigenkapital bedeutet, dass man ein Haus ohne eigenes Geld finanziert. Die Bank streckt den gesamten Kaufpreis des Hauses vor, damit der Bauherr auch ohne eigene finanzielle Mittel bauen kann. Die Bauherren bezahlen die monatlichen Raten und höhere Zinsen. Sie behalten ihre Liquidität und können ihren Traum vom Haus ohne Eigenkapital verwirklichen. Bekannt ist die Finanzierung ohne Eigenkapital als 100, 105 oder 110 Prozent Finanzierung. Dies ist davon abhängig, ob ausschließlich der Kaufpreis oder auch die Erwerbsnebenkosten finanziert werden. Die Vollfinanzierung ist in Ländern wie den USA und Großbritannien üblich. In Deutschland galt lange die Faustregel, dass ein Hauskäufer zumindest 20 Prozent des Kaufpreises durch Eigenkapital stemmen sollte. Diese Regel ist mittlerweile veraltet. Weitere Informationen zum Eigenkapital...

Schnell bauen und von niedrigen Zinsen profitieren?

Der Vorteil bei einer Finanzierung ohne Eigenkapital ist, dass man nicht erst sparen muss, sondern das Haus sofort bauen kann. Gerade junge Menschen können auf diesem Weg frühzeitig einen Beitrag für ihre Altersvorsorge leisten. Obwohl bei einigen Kreditnehmern die Eigenkapitalquote für eine Baufinanzierung vorhanden wäre, greifen sie trotzdessen auf die Vollfinanzierung zurück. Das hat den Vorteil, dass in schlechten Zeiten genügend Rücklagen für die Raten der Bank und unvorhergesehene Zahlungsverpflichtungen bleiben. Weiterhin können Käufer günstige Immobilienpreise nutzen, indem sie sofort kaufen können, statt erst viele Jahre sparen müssen. Dasselbe gilt für Phasen niedriger Bauzinsen. Man kann somit direkt profitieren.

Ein solides Einkommen ist wichtig!

Wer sich für eine Vollfinanzierung entscheidet, muss der Bank Sicherheiten bieten. Die höchste Priorität hat für die Bank ein ausreichend hohes Einkommen. Als Schmerzgrenze gilt folgende Regel: Zinsen, Tilgung und Nebenkosten sollten nicht mehr als 45 Prozent des Monatsnettogehalts ausmachen. Diese Regel bezieht sich auf Durchschnittsverdiener und variiert nach Einkommen. Eine Einkommensgrenze, ab der von einem Kredit generell abzuraten ist, gibt es nicht. Viele Menschen bringen beispielsweise Erbschaften mit viel Eigenkapital mit, ohne ein hohes Einkommen aufzuweisen. Das muss beachtet werden. Weiterhin empfiehlt es sich, ein wertbeständiges Objekt zu bauen. Somit können die Banken im Falle eines Zahlungsengpasses ihre Ausgaben durch einen Verkauf decken.

Zinsentwicklung
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Zinsentwicklung bei Vollfinanzierung beachten!

Finanzierung ohne Eigenkapital bedeutet vor allem höhere Zinsen. Dieser Faktor setzt voraus, dass sich die zukünftigen Hausbesitzer akribisch mit der Zinsentwicklung auseinandersetzen. Auf diesem Weg vermeidet man hohe Kreditraten. Eine Finanzierung ohne Eigenkapital ist vor allem günstig, wenn das Zinsniveau niedrig ist. In diesem Fall ist es in der Regel günstiger, gleich die komplette Immobilien- oder Bausumme zu finanzieren. Müssen Kreditnehmer erst Eigenkapital bei niedrigen Guthabenzinsen ansparen, müssten sie auf den Hauskauf warten und der Zinsertrag würde sich nicht lohnen. Die Höhe der Zinsen wird in großem Maße vom Leitzins der EZB bestimmt. Ist der Leitzins niedrig, sind Bau- und Immobilienkredite ebenfalls günstig.

Rückstellungen als Sicherheit bilden!

Durch die hohen Zinssätze ist es ratsam, Geld als Rücklage zu sammeln, um einen Zahlungsausfall zu vermeiden. Bei vom Bauherr genutzten Immobilien empfiehlt es sich, eine Liquiditätsreserve von einigen Tausend Euro in der Hinterhand zu haben. Als Faustformel gelten hier rund drei Nettomonatsgehälter, damit unvorhergesehene Ausgaben nicht zur Belastung werden. Es ist immer möglich, dass unvorhersehbare Reparaturen auf die Bauherren zukommen. Für diesen Fall sollte man gewappnet sein. 

Zusätzliche Ratenkredite vermeiden!

Wenn es um zusätzliche Ratenkredite geht, ist Vorsicht geboten. Weitere Ratenkredite erhöhen die monatliche Belastung noch mehr. Das kann nicht jeder tragen. Gerade Menschen die, ohnehin nicht über genügend Eigenkapital verfügen, sollten sich hierbei zurücknehmen. Es gibt Zeiten im Leben, in denen der finanzielle Spielraum eng ist und gerade dann der Kühlschrank den Geist aufgibt. Finanziert man gerade ein Haus, sollte man mit weiteren Ratenkrediten halblang machen. Selten verdient man gut genug, um viele monatliche Ratenzahlungen zur gleichen Zeit tätigen zu können. In dieser Zeit sollten Sie lieber auf günstigere Alternativen umsteigen.

Hohe Tilgung kann Eigenkapital ersetzen

Ist zu Beginn der Erstfinanzierung kein Eigenkapital vorhanden, sollte die fehlende Kapitaldecke schnell nachträglich gebildet werden. Das gelingt mit einem überdurchschnittlich hohen Tilgungsanteil. Wird eine hohe Anfangstilgung gewählt, nähert sich im Lauf der Zeit die Eigenkapitalsquote einer klassischen Finanzierung mit Eigenkapital an. Dass im Laufe der Zeit der Zinsanteil innerhalb der Monatsrate zurückgeht, beschleunigt den Schuldenabbau zusätzlich. Ist anfangs noch kein Eigenkapital vorhanden, kann man somit mehr tilgen, sobald das Eigenkapital verfügbar ist.

Haus ohne Eigenkapital
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Eigenleistungen können Kosten sparen

Banken erkennen oftmals bis zu 15 Prozent der Baukosten als Eigenleistung an. Für diese Anerkennung werden die Eigenleistungen akribisch geprüft. Bauherren sollten vorsichtig mit Eigenleistungen umgehen. Ist man sich seiner Sache sicher und hat Erfahrungen mit einfachen Aufgaben, kann Eigenleistung lukrativ sein. Beachtenswert ist, dass keine Bau- oder Fachfirma für Fehler haften wird, die der Bauherr in Eigenregie begangen hat. Bauherren sollten sich mit den Handwerkern abstimmen und Arbeiten übernehmen, die Ihre Ansprüche auf Gewährleistung nicht beeinträchtigen. Mehr Informationen zu Eigenleistungen...

Das Wichtigste - Risiken realistisch einschätzen!

Insgesamt sollte man sich bei allen Bereichen des Hausbaus nicht überschätzen. Dieser Punkt ist der Wichtigste des ganzen Prozesses. Sollte man sich bei der Finanzierung verschätzen, könnte das Ganze nicht mit einem Eigenheim enden, sondern mit Schulden und einer ernsthaften Depression. Damit man später nicht auf einem Haufen Schulden sitzt, sollte man während der Finanzierung privat einen Gang herunterschalten. Der teure Urlaub sollte gegen eine günstigere Variante eingetauscht werden und der Restaurantbesuch gegen das gemeinsame Kochen. Das heißt nicht, dass man seinen bisherigen Lebensstandard grundlegend ändern muss. Immerhin sollte man sich nicht seiner Lebensqualität berauben. Wichtig ist, dass man realistisch bleibt und einschätzt, was man sich leisten kann und was nicht. Mit der Zeit wird es wieder mehr werden. Mehr zu Finanzierungsmöglichkeiten...

Fazit - Haus kaufen ohne Eigenkapital

Insgesamt sollten zukünftige Bauherren in allen Bereichen realistisch bleiben. Wer ein zu geringes Einkommen aufweist, könnte das Projekt nicht tragen und die Bank wird die Anfrage ablehnen. Wer Eigenleistungen einbringt und grobe Fehler macht, wird mit Schulden bestraft. Und wer keine Rücksicht auf Zinsentwicklung und Angebote nimmt, kann nicht von ihnen profitieren. Ein wachsames Auge und realistisches Planen sind bei einer Vollfinanzierung ohne Eigenkapital ein Muss. Bringt man beides mit, stehen dem Projekt Haus alle Türen offen.

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